Die Zukunft der ambulanten Versorgung sichern
KV Hessen stellt Forderungen zur Bundestagswahl vor.
Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KVH) fordert angesichts der anstehenden Bundestagswahl eine klare gesundheitspolitische Wende.
Die ambulante Versorgung steht vor einer tiefen Krise: Nachwuchsmangel, steigende bürokratische Hürden und eine unzureichende Finanzierung gefährden die flächendeckende medizinische Versorgung. In einer Pressekonferenz stellten die Vorstandsvorsitzenden der KVH, Frank Dastych und Armin Beck, ihre Forderungen an die Gesundheitspolitik der nächsten Legislaturperiode vor. Sie betonen, dass es dringend strukturelle Veränderungen braucht, um das „stille Sterben“ des bewährten Systems der niedergelassenen Praxen zu stoppen und stattdessen zukunftssicher zu gestalten.
Die fünf zentralen Forderungen der KVH:
(1) Entbudgetierung der grundversorgenden Fachärzte
Nach der Entbudgetierung der Hausärzte sowie und Kinder- und Jugendärzte müssen auch grundversorgende Fachärzte innerhalb der ersten 100 Tage der neuen Bundesregierung vollständig von Budgetrestriktionen befreit werden. Eine angemessene Vergütung ist essenziell, um die Praxen wirtschaftlich tragfähig zu halten. Ohne diese Maßnahme droht ein weiteres Ausdünnen der fachärztlichen Versorgung, insbesondere in ländlichen Regionen.
(2) Effektive Patientensteuerung, Akut- und Notfallversorgung angehen
Die KVH fordert eine funktionierende, effektive Patientensteuerung. Dazu bereits vorhandene Strukturen, wie Bereitschaftsdienstzentralen, Gemeinsame Tresen mit den Kliniken und das SaN-Projekt zur Steuerung von Akutpatienten in die Praxen der Niedergelassenen, müssen durch klare Regelungen, die insbesondere beim Patienten ansetzen, ergänzt werden. Dabei spielt die Ersteinschätzung wie z. B SmED eine entscheidende Rolle. Akutterminvergaben für Patienten erfolgen entweder direkt durch die hausärztlichen, kinderärztlichen und gebietsfachärztlichen Grundversorger oder werden durch die 116117 gesteuert. Hier werden digitale Tools für deutlich verbesserten Komfort sorgen.
Für Patienten, die sich trotzdem nicht steuern lassen, fordert die KVH ein doppeltes Sanktionierungssystem: Patienten, die ein Fall für den Bereitschaftsdienst oder die reguläre ambulante Versorgung sind, aber dennoch unnötig die Notaufnahme beanspruchen, sollen für diese Inanspruchnahme eine Gebühr zahlen. Gleichzeitig soll der Vergütungsanspruch der Krankenhäuser entfallen, wenn sie Patienten, die auch ambulant in den dafür bereitstehenden Strukturen hätten behandelt werden können, abschließend in der Notaufnahme ambulant versorgen.
(3) Ambulante und stationäre Versorgung nicht gegeneinander ausspielen
Eine sektorenübergreifende Versorgung darf nicht zulasten der ambulanten Versorgung gehen. 90 % der Behandlungsfälle werden in den Praxen versorgt – das muss sich zukünftig auch in der Honorarverteilung widerspiegeln. Das fördert die Ambulantisierung bislang unnötig stationär erbrachter Eingriffe und entlastet die Krankenhäuser. Kliniken sollten nur dort ambulante Leistungen erbringen, wo die Sicherstellung durch Niedergelassene nicht gegeben ist.
(4) Bürokratieabbaugesetz, das seinen Namen verdient
Bürokratische Aufgaben ersticken die medizinische Versorgung, sie stehlen Zeit für die Patienten. Die KVH fordert daher die Abkehr vom deutschen Bürokratisierungswahnsinn und ein echtes Bürokratieabbaugesetz – einschließlich der Abschaffung von Regressen für die Verordnung von Arznei- und Heilmitteln. Diese kosten in den Praxen viel Zeit und in der Regel mehr Geld, als sie einbringen. Ferner sollen die Krankenkassen eine Bearbeitungsgebühr bei Anfragen an Ärztinnen und Ärzte zahlen müssen, um zeitraubende und obendrein unnötige und ungeprüfte (Mehrfach-)Anfragen zu verhindern.
(5) Aufholjagd bei der Digitalisierung
Deutschland liegt bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen im europäischen Vergleich hoffnungslos zurück. Ein aktuelles Beispiel, wie Digitalisierung nicht funktioniert, ist die elektronische Patientenakte. Die KVH fordert daher: Statt immer wieder das Rad neu erfinden zu wollen, konsequent auf jahrelang erprobte digitale Anwendungen aus dem Ausland setzen. Beispiele für gelungene Digitalisierung gibt es unter anderem im Baltikum, in Österreich und Dänemark.
„Die Politik muss jetzt handeln, sonst droht ein unumkehrbares Praxissterben. Ohne niedergelassene Ärztinnen und Ärzte gibt es keine flächendeckende Gesundheitsversorgung. Die nächste Bundesregierung muss sich dieser Herausforderung stellen und echte Reformen umsetzen. Dazu gehören die vollständige Entbudgetierung der grundversorgenden Fachärzte, eine bessere Patientensteuerung mit klaren Regelungen, eine faire Vergütungsstruktur für ambulante und stationäre Leistungen, ein konsequenter Bürokratieabbau sowie eine nachhaltige Digitalisierungsoffensive. Nur mit diesen Maßnahmen kann eine zukunftssichere Versorgung für alle Patienten gewährleistet werden“, warnen Dastych und Beck.
Ansprechpartner
Karl Matthias Roth
Kassenärztliche Vereinigung Hessen
Stabsstelle Kommunikation
Pressesprecher
Europa-Allee 90
60486 Frankfurt
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Kassenärztliche Vereinigung Hessen
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stv. Pressesprecher
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