Aus Leistung wird Honorar
Wie Ärztinnen, Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten im deutschen Gesundheitssystem ihr Geld verdienen, ist komplex. In der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bekommen sie ihr Honorar nicht direkt vom Patienten, sondern rechnen einmal im Quartal nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) und verschiedenen Sonderverträgen mit ihrer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ab. Das Geld stellt aber nicht die KV selbst zur Verfügung, sondern die gesetzlichen Krankenkassen: Jedes Jahr verhandeln KV und Krankenkassen gemeinsam und einheitlich die Höhe der Gesamtvergütung im regionalen Honorarvertrag. Grundlage dafür ist § 85 SGB V.
Wie genau sich das jeweilige Honorar der Ärztinnen, Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten zusammensetzt, erklärt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit Schaubildern und einem Erklärvideo.
Die Gesamtvergütung setzt sich aus der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) und der extrabudgetären Gesamtvergütung (EGV) zusammen. Wie hoch die MGV ist, hängt unter anderem davon ab, wie viel eine Krankenkasse für eine Patientin beziehungsweise einen Patienten an die KVH zahlt oder wie viele gesetzlich Krankenversicherte in Hessen wohnen. Der Anteil der EGV macht im Schnitt circa ein Drittel der Gesamtvergütung aus. Neben der Höhe der Gesamtvergütung regelt jede KV auf regionaler Ebene die Abgrenzung der Leistungen in EGV und MGV mit den Landesverbänden der Krankenkassen in den Honorarverträgen.
Abrechnung: Für Praxen in Hessen heißt das, dass sie die Leistungen (Behandlungen), die sie für gesetzlich Versicherte erbracht haben, pro Quartal mit der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH) abrechnen. Die KVH zahlt ihnen dann das dafür vorgesehene Honorar aus. Alle Leistungen, die sie abrechnen dürfen, sind in § 73 Absatz 2 SGB V genannt.
Honorarverhandlungen führen zu Honorarverträgen
Jede KV in Deutschland muss das Honorar für ihre Mitglieder also mit den regionalen Krankenkassen selbst aushandeln. Das bedeutet auch, dass Ärztinnen, Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten in Hessen gegebenenfalls anders verdienen als beispielsweise in Bayern.
Als Interessenvertretung ihrer Mitglieder in Hessen setzt sich die KVH in den Honorarverhandlungen mit den Krankenkassen jedes Jahr dafür ein, dass diese möglichst angemessen bezahlt werden. Planungssicherheit spielt dabei eine große Rolle: Zusätzliche Gelder für förderungswürdige Leistungen oder neue extrabudgetär vergütete Leistungen zu erhalten ist deshalb jedes Jahr eines der Ziele der Honorarverhandlungen, denn diese Leistungen werden zu 100 Prozent von den Kassen gezahlt.
Honorarverteilung
Leistungen, die der EGV zugeordnet sind, bekommt jede Ärztin, jeder Arzt beziehungsweise jede Psychotherapeutin und jeder Psychotherapeut zu 100 Prozent wie angefordert vergütet.
Leistungen, die der MGV zugeordnet sind, werden hingegen in großen Teilen quotiert vergütet (weil die MGV ein begrenztes Budget für eine Vielzahl von Leistungen darstellt): eine Ärztin oder ein Arzt beziehungsweise eine Psychotherapeutin oder ein Psychotherapeut bekommt für die abgerechnete Leistung also nicht den vollen Wert laut EBM. Die Verteilung der MGV regeln die Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zur Honorarverteilung sowie der regionale Honorarverteilungsmaßstab (HVM).
Sonderregelungen sind möglich
Durch Sonderregelungen in der Honorarverteilung ist es möglich, das arztbezogene Regelleistungsvolumen (RLV) oder Qualifikationsgebundene Zusatzvolumen (QZV) zu erhöhen.
Sonderregelungen beantragen
Für jede Fachgruppe wird quartalsweise eine durchschnittliche Fallzahl errechnet, also die durchschnittliche Anzahl an Patientinnen und Patienten, die pro Praxis einer Fachgruppe im Quartal behandelt werden. Überschreitet eine Praxis diese fachgruppenspezifische Fallzahl um mehr als 150 (170, 200) Prozent, steht ihr für die darüber hinausgehenden Fälle nicht das volle Budget zur Verfügung.
Fiktives Beispiel*: Alle Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner in Hessen behandeln im ersten Quartal eines Jahres durchschnittlich rund 900 Patienten. Für jede Patientin beziehungsweise jeden Patienten steht ihnen ein Fallwert in Höhe von 40 Euro zur Verfügung (für dieses Quartal ermittelter durchschnittlicher Fallwert der Fachgruppe). Behandelt die Ärztin oder der Arzt in diesem Quartal 1351 Patientinnen oder Patienten, erhält sie oder er für 1350 Patientinnen und Patienten jeweils den durchschnittlichen Fallwert (40 Euro). Für Patientinnen oder Patienten, die 150 Prozent des Durchschnittes überschreiten, steht jedoch nicht der volle Betrag zur Verfügung (Abstaffelung des Fallwerts). In unserem Beispiel wären dies dann 30 Euro (75 Prozent). Die Allgemeinmedizinerin oder der Allgemeinmediziner kann einen Antrag auf Sonderregelung „Fallzahlerhöhung Abstaffelung“ stellen.
*gilt für alle haus- und fachärztlich tätigen Vertragsärztinnen und -ärzte in Hessen
Wer kann eine Sonderregelung „Fallzahlerhöhung Abstaffelung“ beantragen?
Praxen mit einer überdurchschnittlichen Fallzahl, die mehr Patientinnen oder Patienten übernehmen als üblich, weil
- ein Arztsitz der eigenen Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) vakant ist.
- ein Arztsitz in der näheren Umgebung der Praxis vakant ist.
- eine Ärztin oder ein Arzt in der näheren Umgebung der Praxis mehr als 14 Tage zusammenhängend krank ist.
Mögliche Sonderregelungen
Auf Ihren Antrag hin prüft die KVH die Voraussetzungen für eine mögliche Sonderregelung. Je nachdem kann die Abstaffelungsgrenze* von 150 Prozent für Ihre Praxis erhöht werden*, und zwar um die:
- von der ehemaligen Partnerin oder vom ehemaligen Partner der BAG übernommenen Fälle, höchstens jedoch auf die für die ehemalige BAG gültige Abstaffelungsgrenze.
- von der Ärztin oder vom Arzt in der näheren Umgebung übernommenen und im aktuellen Quartal anhand der Abrechnungen ermittelten Fälle.
- im Krankheitszeitraum im aktuellen Quartal tatsächlich übernommenen Vertretungsfälle.
*grundsätzlich für vier Quartale und nur bis zur Wiederbesetzung des vakanten Arztsitzes am bisherigen Ort.
Antrag stellen: Es reicht ein Schreiben an das Team Antragsverfahren mit der Bitte um Sonderregelung, in dem Sie Ihre Antragsgründe ausführlich darstellen. Ihr Antrag kann unter Berücksichtigung der Gültigkeit (ein Jahr) des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) für vier Quartale gestellt werden.
Für jede Fachgruppe werden quartalsweise durchschnittliche Fallwerte für arztbezogenes Regelleistungsvolumen (RLV) oder Qualifikationsgebundenes Zusatzvolumen (QZV) errechnet. Überschreitet ein Arzt sein RLV oder QZV deutlich, kann der Fallwert unter bestimmten Umständen angehoben werden, sodass dem Arzt ein höheres Budget pro Patient zur Verfügung steht.
Fiktives Beispiel*: Allen Allgemeinmedizinerinnen und -medizinern in Hessen steht im Quartal für jede Patientin beziehungsweise jeden Patienten für das QZV Sonografie ein Fallwert in Höhe von einem Euro zur Verfügung. Führt eine ärztin oder ein Arzt neben Sonografien des Abdomens auch in größerem Umfang Sonografien der Schilddrüse durch, wird möglicherweise der pro Patientin oder Patient zur Verfügung stehende Fallwert deutlich überschritten. Die Allgemeinmedizinierin oder der Allgemeinmediziner kann einen Antrag auf Sonderregelung „Fallwerterhöhung Praxisbesonderheit“ stellen.
*gilt analog für alle haus- und fachärztlich tätigen Vertragsärztinnen und -ärzte in Hessen
Wer kann eine Sonderregelung „Fallwerterhöhung Praxisbesonderheit“ beantragen?
Ärztinnen und Ärzte, die besondere Leistungen häufiger abrechnen als ihre Kolleginnen oder Kollegen, weil sie
- einen besonderen Versorgungsauftrag wahrnehmen
- sich fachlich spezialisiert haben, um die Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten sicherzustellen
und deshalb ihr Quartalsbudget deutlich überschreiten.
Mögliche Sonderregelungen
Auf Ihren Antrag hin prüft die KVH, ob Sie Ihr Quartalsbudget (RLV oder QZV) um mehr als 20 Prozent überschreiten und ob die abgerechneten besonderen Leistungen eine Praxisbesonderheit darstellen, indem sie
• mindestens 20 Prozent Ihres Budgets ausmachen
• nicht in Ihrem Facharztkapitel aufgeführt sind
• von weniger als der Hälfte der Ärzte Ihrer Fachgruppe erbracht werden.
Treffen alle diese Punkte auf Ihre Praxis zu, kann Ihr Fallwert entsprechend anteilig erhöht werden.
Antrag stellen: Es reicht ein Schreiben an das Team Antragsverfahren mit der Bitte um Sonderregelung, in dem Sie Ihre Antragsgründe ausführlich darstellen. Ihr Antrag kann unter Berücksichtigung der Gültigkeit (ein Jahr) des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) für vier Quartale gestellt werden.
Der Vorstand der KVH kann im Einzelfall und befristet einen Ausgleich an Praxen zahlen, wenn sich ihr Honorar aus bestimmten Gründen um mehr als 10 Prozent gegenüber dem gleichen Quartal des Vorjahres verringert.
Wer kann eine Sonderregelung beantragen?
Praxen, deren Honorar sich um mehr als zehn Prozent gegenüber dem gleichen Quartal des Vorjahres verringert hat, weil die
- Mengensteuerung umgestellt wurde oder
- Partnerinnen oder Partner der Gesamtverträge bisherige Regelungen zu den sogenannten extrabudgetären Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen nicht fortgeführt haben.
Mögliche Sonderregelung
Auf Ihren Antrag hin prüft die KVH, ob Ihre Praxis Anspruch auf befristete Ausgleichszahlungen hat und in welcher Höhe.
Antrag stellen: Ein Schreiben an das Team Antragsverfahren mit der Bitte um Sonderregelung und einer individuellen, ausführlichen Begründung reicht zunächst aus. Sofern die KVH für die Beurteilung weitere Informationen benötigt, meldet sie sich bei Ihnen.
Honoraranalysen
Wie das Honorar verteilt wird, können die Mitglieder der KVH an den Honoraranalysen ablesen. Die KVH erstellt sie regelmäßig und erläutert darin die Entwicklung der Gesamtvergütung sowie der einzelnen Fachgruppenhonorare. Vorherige Quartale können KVH-Mitglieder auf Wunsch einsehen.
HZV-Bereinigung
Für jede Patientin oder jeden Patienten, die oder der in die Hausarztzentrierte Versorgung eingeschrieben ist, muss die KVH die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) bereinigen.
Übersicht: HZV-Bereinigung
Ansprechpartner
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Antragsverfahren
Kassenärztliche Vereinigung Hessen
Europa-Allee 90
60486 Frankfurt
Tel 069 24741-7777
Fax 069 24741-68847
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