KJ-KSV-Psych: Komplexversorgung schwer psychisch kranker Kinder und Jugendlicher
Für Kinder und Jugendliche mit schweren psychischen Erkrankungen hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ein neues Versorgungsprogramm auf den Weg gebracht. Die Richtlinie über die berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung insbesondere für schwer psychisch kranke Kinder und Jugendliche mit komplexem psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf (KJ-KSVPsych-RL) verfolgt das Ziel, eine sektorenübergreifende und multiprofessionell abgestimmte Versorgung für Kinde rund Jugendliche zu etablieren. Dabei rücken die individuellen Bedürfnisse der jungen Patientinnen und Patienten sowie ihrer Bezugspersonen in den Fokus.
Ein zentrales Anliegen ist die Sicherstellung von Behandlungskontinuität, insbesondere an Schnittstellen zwischen ambulanter, teilstationärer und stationärer Versorgung. Behandlungsabbrüche sollen vermieden, Krisen frühzeitig erkannt und aufgefangen werden. Zugleich wird durch eine strukturierte Koordination der Zugang zu Diagnostik und Therapie spürbar beschleunigt.
Die Richtlinie stärkt die ambulante Versorgung und zielt darauf ab, stationäre Aufenthalte nach Möglichkeit zu vermeiden oder zu verkürzen. Eine Versorgung im häuslichen Umfeld wird hierbei ausdrücklich unterstützt.
Um eine ganzheitliche Behandlung zu ermöglichen, wird die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Berufsgruppen verbindlich organisiert. Gleichzeitig fördert die Richtlinie den Austausch zwischen unterschiedlichen Hilfesystemen – etwa mit Jugendhilfe, Schule oder Reha-Trägern – und sorgt für eine bessere Abstimmung aller Beteiligten.
Besondere Bedeutung hat auch die Phase des Übergangs ins Erwachsenenalter. Die Richtlinie stellt sicher, dass diese Transition frühzeitig geplant und engmaschig begleitet wird, um Versorgungslücken zu vermeiden und eine kontinuierliche Betreuung zu gewährleisten.
Zur praktischen Umsetzung der KJ-KSVPsych-RL gehören unter anderem ein erleichterter Zugang zur Versorgung, verbindliche Teamstrukturen, ein koordinierter Gesamtbehandlungsplan, die Einbindung relevanter Bezugspersonen sowie regelmäßige interdisziplinäre Fallbesprechungen. So entsteht eine strukturierte, qualitätsgesicherte und gut vernetzte Versorgung für eine besonders vulnerable Patientengruppe.
Wer kann an der Versorgung nach der KJ-KSV-Psych-Richtlinie teilnehmen?
Die Versorgung im Rahmen der KJ-KSVPsych-Richtlinie erfolgt durch interdisziplinäre Teams aus medizinischen, psychotherapeutischen und psychosozialen Fachkräften. Die teilnehmenden Leistungserbringer werden in drei Gruppen unterteilt: das zentrale Team, das erweiterte Team und weitere Kooperationspartner, die Teil des erweiterten Teams werden können. Die Teams setzen sich dabei patientenindividuell zusammen.
Das zentrale Team bildet die Grundstruktur der Versorgung. Es setzen sich aus mindestens drei Berufsgruppen zusammen:
- einer Fachärztinnen beziehungsweise einem Facharzt (etwa aus den Bereichen Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Neurologie)
- einer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin beziehungsweise einem -therapeuten oder einer psychologischen Psychotherapeutin beziehungsweise einem -therapeuten mit entsprechender fachlicher Befähigung
- einer nichtärztlichen koordinierenden Person (beispielsweise aus der Ergotherapie, psychiatrischen Pflege, Sozialarbeit, Sprachtherapie)
Das zentrale Team muss mindestens vier Tage pro Woche jeweils mindestens 50 Minuten telefonisch erreichbar sein.
Die Bezugsfunktion im zentralen Team übernimmt eine Fachärztin beziehungsweise ein Facharzt, eine Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin beziehungsweise -therapeut oder oder eine psychologische Psychotherapeutin beziehungsweise ein -therapeut mit entsprechender fachlicher Befähigung. Über diese Person wird die Therapie koordiniert und sie ist zentrale Ansprechperson für die Patientin oder den Patient.
Ergänzend kann ein erweitertes Team eingebunden werden. Dazu gehören unter anderem:
- Krankenhäuser mit kinder- und jugendpsychiatrischer Abteilung
- Fachärztinnen und -ärzte für Kinder- und Jugendmedizin
- Heilmittelerbringer (zum Beispiel Ergo-, Physio-, Sprachtherapie)
- Anbieter psychiatrischer häuslicher Krankenpflege oder Soziotherapie – insbesondere zur Unterstützung bei der Transition in die Erwachsenenversorgung
Darüber hinaus können weitere Akteure bei Bedarf in die Behandlung mit eingebunden werden. Dazu zählen unter anderem
- Einrichtungen der Jugendhilfe
- Schulen
- Schulpsychologische Dienste
- Jugendämter
- Beratungsstellen
- Selbsthilfeorganisationen
- Reha-Träger und andere psychosoziale Dienste
Wer kann über die KJ-KSV-Psych-Richtlinie versorgt werden?
Die KJ-KSV-Psych-Richtlinie richtet sich an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, von der Geburt bis zum vollendeten 21. Lebensjahr, die unter einer schweren psychischen Erkrankung leiden und in mehreren Lebensbereichen stark beeinträchtigt sind. Damit eine Versorgung nach dieser Richtlinie erfolgen kann, müssen drei zentrale Kriterien zutreffen:
- mindestens eine psychische Störung gemäß der ersten Achse des MAS aus dem V. Kapitel (F1-F6, F84, F9) oder F7x.1 des ICD-10-GM
- mindestens ein psychosozialer Umstand aus den neun Kategorien „assoziierte aktuelle abnormale psychosoziale Umstände“ gemäß der fünften Achse des MAS und
- mindestens eine ernsthafte soziale Beeinträchtigung des psychosozialen Funktionsniveaus gemäß den Stufen vier bis acht auf der sechsten Achse des MAS gegeben sind
Zudem muss ein komplexer Behandlungsbedarf bestehen. Dieser besteht, wenn zur Erreichung des Behandlungsziels (Heilung, Linderung oder Verhütung von Verschlimmerung) pro Quartal der Einsatz von mindestens zwei Maßnahmen der Krankenbehandlung durch Leistungserbringende unterschiedlicher Berufsgruppen notwendig ist.
Wie sieht der Behandlungsplan nach der KJ-KSV-Psych-Richtlinie aus?
Die Versorgung nach dieser Richtlinie erfolgt auf Basis einen Gesamtbehandlungsplans unter der Leitung einer Bezugsärztin beziehunsgweise -arztes oder einer Bezugstherapeutin beziehungsweise -therapeuten.
Der Zugang für die Patientinnen und Patienten erfolgt über eine Empfehlung etwa durch Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten oder bestimmte andere Leistungserbringende. Mit Einwilligung der Patientin oder des Patienten wird in der Regel innerhalb von zehn Werktagen ein Termin bei einem teilnehmenden Leistungserbringenden vereinbart. Einer Überweisung bedarf es nicht.
Der Einstieg erfolgt über eine Eingangssprechstunde, in der ein Mitglied des zentralen Teams prüft, ob die Voraussetzungen für die Versorgung vorliegen. Bei bestätigtem Bedarf schließt sich eine differenzialdiagnostische Abklärung an, die psychische, somatische und psychosoziale Aspekte einbezieht und als Grundlage für den weiteren Behandlungsverlauf dient.
Durch die bezugsbehandelnde Person wird ein individueller Gesamtbehandlungsplan erstellt. Er enthält die Therapieziele, geplante Maßnahmen, beteiligte Fachkräfte sowie gegebenenfalls einen Kriseninterventionsplan und Hinweise zur Übergangsplanung. Die Patientin oder der Patient sowie die Sorgeberechtigten werden aktiv einbezogen.
Die anschließende Versorgung erfolgt im zentralen Team und kann durch ein erweitertes Team ergänzt werden. Die koordinierende Fachkraft übernimmt Terminabsprachen, Netzwerkarbeit und die Begleitung im Alltag. Das Team trifft sich mindestens einmal im Quartal zu interdisziplinären Fallbesprechungen.
Der Verlauf der Behandlung wird regelmäßig überprüft, der Gesamtbehandlungsplan mindestens halbjährlich aktualisiert. Rückmeldungen der Patientin oder des Patienten fließen in die Planung ein.
Bei Zielerreichung oder Wegfall der Voraussetzungen wird die Versorgung beendet. Besteht weiterhin Bedarf, erfolgt eine strukturierte Überleitung in die Regelversorgung oder andere Angebote. Für Jugendliche wird die Transition in die Erwachsenenversorgung frühzeitig geplant und durch eine Übergabefallbesprechung begleitet.
Die Leistungen zur KJ-KSV-Psych-RL wurden in einen neuen Abschnitt 37.6 im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgenommen. Ärztinnen und Ärzte oder Psychotherapeutinnen und -therapeuten können sie seit dem 1. April 2025 abrechnen.
Wie erhalte ich eine Genehmigung?
Seit dem 1. Juli 2024 ist es möglich, eine Genehmigung zur Teilnahme an der Versorgung nach der KJ-KSVPsych-RL zu beantragen.
So gehen Sie vor
Jede Fachärztin und jeder Facharzt sowie jede Fachtherapeutin und jeder Fachtherapeut, die oder der an der Richtlinie teilnehmen möchte, muss die in der KJ-KSV-Psych-RL normierten Anforderungen erfüllen und einen Antrag zur Teilnahme stellen.
Den Antrag zur Teilnahme an der KJ-KSVPsych-RL stellen Sie beim Team Bedarfsprüfung der KVH. Den Kontakt finden Sie im grauen Kasten rechts auf dieser Seite. Als Hilfestellung haben wir Ihnen eine FAQ KJ-KSVPsych-RL zusammengestellt.
Ansprechpartner
KJ-KSV-Psych
Kassenärztliche Vereinigung Hessen
Bedarfsprüfung
Europa-Allee 90
60486 Frankfurt/Main